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Prokurist im Mittelstand: 3 Prokura-Formen, die jedes Unternehmen kennen sollte

Ein lächelnder, älterer Mann im Anzug hält einen Laptop und schaut in die Kamera.

Vor allem in mittelständischen Unternehmen taucht schnell ein praktisches Problem auf: Wer unterschreibt, wenn die Geschäftsführung nicht da ist? Verträge, Bankgespräche, Personalentscheidungen – vieles duldet keinen Aufschub. Genau dafür gibt es die Prokura. Sie gibt Führungskräften verbindliche Befugnisse und entlastet die Geschäftsführung. Damit solche Regelungen funktionieren, muss die Form zur Struktur des Unternehmens passen.

Inhalt

  1. Was ist ein Prokurist?
  2. Wer erhält Prokura?
  3. Was Prokuristen dürfen und was nicht
  4. Was verdienen Prokuristen?
  5. Verschiedene Prokura-Formen: Welche passt zu Ihrem Unternehmen?
  6. Fazit

Was ist ein Prokurist?

Die Prokura ist die umfangreichste Vertretungsform des Kaufmanns im Handelsrecht. Sie wird vom Inhaber eines Handelsgeschäfts (z. B. Geschäftsführer, Vorstand) erteilt und muss ins Handelsregister eingetragen werden. Sie bietet eine umfassende Vertretung in allen Bereichen des Handelsgeschäfts. Vereinfacht gesagt, darf ein Prokurist (als Träger dieser Vertretungsform) fast alle Geschäfte und Rechtshandlungen durchführen, die zum Betrieb des Unternehmens gehören. Dazu zählen etwa:

  • Vertragsabschlüsse aller Art (z. B. Kauf-, Liefer-, Arbeitsverträge)
  • Einstellung und Entlassung von Mitarbeitenden
  • Aufnahme von Krediten
  • Prozessführung vor Gericht
  • Errichtung von Zweigniederlassungen

Dass es sich um eine gesetzlich geregelte Vertretungsform handelt (§ 49 HGB), trägt zur Rechtssicherheit bei. Das heißt, der Geschäftsherr kann nicht willkürlich über die Rechtswirkungen entscheiden. Geschäftspartner können sich also auf den gesetzlich garantierten Umfang verlassen, da sie im Außenverhältnis nicht wirksam eingeschränkt werden kann. Und das ist genau der Grund, weshalb eine Prokura zur wesentlichen Erleichterung und Beschleunigung des Geschäfts- und Wirtschaftsverkehrs beiträgt.

Wer erhält Prokura?

Oft werden verdiente oder leitende Mitarbeitende, Ehepartner oder Gesellschafter, die nicht selbst zur Vertretung befugt sind, zu Prokuristen ernannt. Dadurch will das Unternehmen eine Person mit großem Vertrauen rechtlich handlungsfähig machen.
In der Praxis sind Prokuristen fast immer Führungskräfte, die ohnehin operative Verantwortung tragen. Die Prokura erweitert nur den rechtlichen Handlungsspielraum, damit sie Entscheidungen nicht jedes Mal nach oben eskalieren müssen. Die Geschäftsführung „delegiert“ damit Handlungsspielraum nach unten, bleibt aber strategisch und rechtlich verantwortlich.

Typische Konstellationen in der Praxis

Die Prokura sichert also die Handlungsfähigkeit des Unternehmens, auch wenn Geschäftsführung oder Inhaber beispielsweise abwesend sind. Führungskräfte mit Prokura arbeiten oft in Bereichen wie Vertrieb, Einkauf, Finanzen oder Produktion, also in den Kernbereichen, wo Entscheidungen getroffen werden müssen.
Typisches Beispiel aus der Praxis:

Ein Maschinenbauunternehmen verhandelt seit Wochen mit einem Großkunden über einen Wartungsvertrag. Am Freitagvormittag ruft der Kunde an: „Wir brauchen heute noch die unterschriebene Vereinbarung, sonst geben wir den Auftrag woanders hin.“

Der Geschäftsführer ist auf Dienstreise in Asien, nicht erreichbar, Zeitverschiebung, volle Termine. Ein Abteilungsleiter dürfte den Vertrag nicht unterschreiben, seine Unterschrift wäre rechtlich unwirksam.
Zwei Geschäftsleute schütteln sich an einem Flughafen die Hand, während sie ihre Koffer bei sich haben.
Wenn die Chefs reisen, sorgt die Prokura für Handlungsfähigkeit.
Ein Mitarbeitender mit Prokura aber, im Handelsregister eingetragen und mit umfassender Vertretungsmacht ausgestattet, kann den Vertrag unterzeichnen. Das Geschäft ist gesichert, der Kunde zufrieden, und das Unternehmen bleibt handlungsfähig, auch ohne direkten Zugriff auf die Geschäftsführung.

Was Prokuristen dürfen und was nicht

Auch wenn ein Prokurist sehr weitreichende Befugnisse hat, gibt es klar gesetzlich oder praktisch definierte Grenzen, die er nicht überschreiten darf. So umfasst die Prokura grundsätzlich keine Vertretung in Grundlagen- bzw. Strukturentscheidungen. Diese Aufgaben sind der Geschäftsführung oder den Eigentümern vorbehalten.

Durch die Prokura werden also weitreichende Entscheidungsbefugnisse mit rechtlich bindender Wirkung für das Unternehmen nach außen erteilt. Intern können Grenzen gesetzt werden, die bei Überschreitung Haftung nach sich ziehen können. Daher wird immer zwischen Innen- und Außenverhältnis differenziert:
  • Innenverhältnis (im Unternehmen): Intern können Aufgaben und Grenzen der erteilten Prokura definiert werden, z. B. welche Abteilung der Prokurist leiten oder welche Budgets er verwenden darf.
  • Außenverhältnis (gegenüber Dritten): Ein Prokurist kann alle Geschäfte des Unternehmens im Rahmen seiner Prokura abschließen. Intern vereinbarte Einschränkungen (z. B. maximale Beträge) gelten aber gegenüber Geschäftspartnern nicht.
Beispiel: Wenn der Prokurist intern nur für Verträge bis 50.000 Euro zuständig sein soll, aber einen Vertrag über 100.000 Euro abschließt, ist der Vertrag trotzdem rechtlich gültig. Denn Dritte können und müssen nicht wissen, welche internen Grenzen gesetzt wurden. Sie müssen sich auf den gesetzlich geregelten Umfang verlassen können.
Folge für das Unternehmen: Es ist an den Vertrag gebunden. Lieferungen, Zahlungen, rechtliche Pflichten entstehen.
Folge für den Prokuristen: Er hat die intern vereinbarten Beschränkungen verletzt. Wenn dadurch ein finanzieller Schaden entsteht, kann das Unternehmen unter Umständen Schadensersatzansprüche gegen ihn geltend machen.
Im Tagesgeschäft ist die Prokura aber vor allem ein Entlastungs- und Beschleunigungsinstrument: Sie verhindert, dass jede Unterschrift bei der Geschäftsführung hängenbleibt und das Geschäft ins Stocken gerät.

Was verdienen Prokuristen?

Prokura an sich ist kein eigenständiger Job und wird im Gehalt nicht automatisch „bepreist“. Entscheidend ist die eigentliche Führungsfunktion (z. B. Kaufmännischer Leiter, Vertriebsleiter, Technischer Leiter). Für diese Positionen gibt es Gehaltsbänder, die sich nach Branche, Unternehmensgröße, Verantwortung und Standort unterscheiden. Die Prokura ist also eher ein Zusatz, manchmal verbunden mit einem gewissen Gehaltsaufschlag oder mit einem Bonus. Oft ist sie aber auch nur ein Signal für Vertrauen und erweiterten Entscheidungsspielraum.
Warum es in der Praxis dennoch Stellenausschreibungen gibt, in denen explizit eine Prokuristin gesucht wird? Das passiert meistens in zwei Konstellationen:
  1. Kleinere und mittelständische Unternehmen (oft inhabergeführt): Dort übernimmt der Prokurist nicht nur die Vollmacht, sondern eine klar umrissene operative Leitungsaufgabe wie etwa die kaufmännische Leitung, Standortleitung oder die Verantwortung für einen bestimmten Geschäftsbereich. Die Prokura wird dann als Signal gesetzt: „Diese Rolle ist erweiterter Geschäftsführungskreis.“
  2. Familienunternehmen oder Konzerntöchter: Hier werden Prokuristen gezielt gesucht, um die operative Führung mit rechtlicher Vertretungsmacht zu kombinieren, häufig in den Bereichen Finanzen, Vertrieb oder Technik. Das hat den Vorteil, dass jemand verbindlich entscheiden und unterzeichnen kann, ohne gleich in die Geschäftsführung berufen zu werden.

Man sucht also selten „nur einen Prokuristen“, sondern meist eine Führungsrolle plus Prokura. Aber die Prokura wird in der Ausschreibung betont, weil sie Teil des Anforderungsprofils ist, die Entscheidungsbefugnisse klarstellt und klar zu normalen Führungspositionen abgrenzt. Und sie dient nicht selten als Attraktor für erfahrene Führungskräfte.

Verschiedene Prokura-Formen: Welche passt zu Ihrem Unternehmen?

Die klassische Einzelprokura ist nicht immer die beste Lösung. Je nach Unternehmensgröße und Risikobereitschaft gibt es verschiedene Varianten, die mehr Sicherheit oder Flexibilität bieten.

Gesamtprokura

Bei der Gesamtprokura können mehrere Prokuristen oder ein Prokurist plus Geschäftsführung nur gemeinsam handeln („Vier-Augen-Prinzip“). Wichtige Verträge brauchen dann zwei Unterschriften.
Praktisches Beispiel:
Ein Metallbauer mit 80 Mitarbeitern hat zwei Prokuristen: den kaufmännischen Leiter und den technischen Leiter. Verträge über 25.000 Euro müssen beide unterschreiben. Der Vorteil: Keiner kann allein große finanzielle Risiken eingehen. Der technische Leiter kann nicht ohne kaufmännische Prüfung einen teuren Maschinenpark bestellen. Umgekehrt kann der kaufmännische Leiter nicht ohne technische Expertise komplexe Fertigungsaufträge zusagen. Sinn macht das also
  • bei hohen Risiken oder großen Geschäften,
  • wenn verschiedene Fachbereiche sich ergänzen sollen und
  • als Schutz vor Fehlentscheidungen einzelner Personen.
Wichtig ist, dass die Gesamtprokura auch im Handelsregister als solche vermerkt wird. Denn wird im Handelsregister nichts anderes eingetragen, wird immer Einzelprokura vermutet.

Kombinierte Lösung (halbseitige Gesamtprokura)

Einige Unternehmen mischen verschiedene Ansätze, indem die jeweiligen Vollmachten zusätzlich intern regeln.
Beispiel aus der Praxis:
Eine Bäckerei-Kette mit fünf Filialen kann es beispielsweise so lösen: Der Betriebsleiter hat Einzelprokura für das Tagesgeschäft (Lieferverträge, Personalentscheidungen, Reparaturen bis 15.000 Euro). Für größere Investitionen braucht er die zweite Unterschrift der kaufmännischen Leiterin (Gesamtprokura). So läuft der Alltag reibungslos, aber bei wichtigen Entscheidungen gibt es eine Kontrollebene.
Zwei Personen in einer Bäckerei räumen gemeinsam frisches Brot in ein Regal.
Formaljuristisch kennt das HGB keine „Mischformen“, sondern nur die Varianten Einzel-, Gesamt- oder Niederlassungsprokura, weshalb es im Handelsregister „Einzelprokura“ für den Betriebsleiter und „Gesamtprokura“ für die kaufmännische Leiterin heißen muss. Nach außen gilt auch hier:
Prokura ist unbeschränkt (außer Grundstücksgeschäfte). Dritte dürfen also davon ausgehen, dass ein Prokurist etwa auch für 250.000 Euro unterschreiben kann. Die Grenze von 15.000 Euro wirkt nur intern. Überschreitet der Betriebsleiter die internen Grenzen, verletzt er seine arbeitsvertraglichen Pflichten und kann dafür arbeitsrechtlich oder gegebenenfalls schadensersatzrechtlich belangt werden

Niederlassungsprokura (§ 50 HGB)

Haben Sie Filialen oder Zweigstellen? Dann kann die örtlich begrenzte Prokura interessant sein.
Konkretes Beispiel:
Ein Sanitätsbetrieb expandiert von München nach Nürnberg. Der Nürnberger Filialleiter erhält eine auf diese Niederlassung beschränkte Prokura. Er darf alle Geschäfte für den Nürnberger Standort wie beispielsweise Lieferverträge mit örtlichen Großhändlern, Mietverträge für Lagerräume, Einstellung neuer Mitarbeiter abschließen. Aber er kann nicht im Namen des Gesamtunternehmens handeln oder Verträge für München abschließen. Die Vorteile auch hier:
  • schnelle Entscheidungen vor Ort
  • klare Abgrenzung der Verantwortung
  • begrenzte Risiken pro Standort
Wichtig: Die Niederlassung muss sich klar vom Hauptbetrieb unterscheiden wie beispielsweise durch einen Zusatz wie „Sanitätshaus Müller Nürnberg“.

Welche Prokura-Form passt zu Ihrem Unternehmen?

Die meisten mittelständischen Unternehmen starten mit Einzelprokura und erweitern das System, wenn sie wachsen. Wichtig ist: Sie können die Prokura-Form jederzeit ändern, sie ist flexibler als eine Geschäftsführer-Bestellung.

Fazit

Einzelprokura, Gesamtprokura, Niederlassungsprokura – jede Variante hat ihre eigenen Vor- und Nachteile. Kleine Betriebe fahren oft gut mit einer Einzelprokura. In größeren Organisationen sorgt eine geteilte Verantwortung für mehr Sicherheit. Entscheidend ist, dass die Geschäftsführung sich nicht allein auf den Eintrag im Handelsregister verlässt, sondern regelmäßig prüft, ob die gewählte Form noch zum Unternehmen passt.

FAQs

Wer darf überhaupt Prokurist werden?

Jeder volljährige, geschäftsfähige Mitarbeiter kann Prokurist werden. Meist trifft es Führungskräfte aus kaufmännischen Bereichen. Entscheidend ist das Vertrauen der Geschäftsführung, nicht ein bestimmter Studien- oder Ausbildungsabschluss.

Muss ein Prokurist im Handelsregister eingetragen sein?

Ja. Erst mit der Eintragung ins Handelsregister wird die Prokura wirksam. Ohne diesen Schritt kann er das Unternehmen rechtlich nicht vertreten.

Was unterscheidet Prokurist und Geschäftsführer?

Der Geschäftsführer führt das Unternehmen eigenständig und trägt die Gesamtverantwortung. Der Prokurist darf zwar fast alle Geschäfte tätigen, bleibt aber weisungsgebunden. Grundstücksgeschäfte, Jahresabschlüsse oder Gesellschafterbeschlüsse sind ihm verboten.

Kann ein Prokurist selbst neue Prokura erteilen?

Nein. Prokura kann nur von der Geschäftsführung oder dem Inhaber vergeben werden. Der Prokurist darf lediglich einfache Handlungsvollmachten weitergeben, keine eigene Prokura.

Wie endet eine Prokura?

Durch Widerruf der Geschäftsführung, durch Ende des Arbeitsverhältnisses oder bei Insolvenz des Unternehmens. Auch Tod oder Geschäftsunfähigkeit des Prokuristen beenden die Vollmacht automatisch.

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