Inhalt
- Fachkräftemangel in Stadtwerken
- Recruiting-Tipps für Stadtwerke: Was kommunale Versorger jetzt tun können
- Fazit
- FAQs
Fachkräftemangel in Stadtwerken
Top-10 Engpassberufe in Stadtwerken
Quelle Zahlen: Bundesagentur für Arbeit
Grafik: WK Personalberatung
Der Mangel bleibt eine Herausforderung
Dass sich der Fachkräftemangel so schnell nicht legen, sondern in den nächsten Jahren sogar verstärken wird, liegt an mehreren Entwicklungen. Diese sind zudem viel robuster als die aktuelle konjunkturelle Schwäche. Erstens: Immer mehr Jugendliche streben ein Studium an, während sich immer weniger entscheiden für eine Ausbildung. Der Anteil der Studienanfänger lag 2023 laut Statistischem Bundesamt bei rund 55 Prozent.
Gleichzeitig fehlen in den Betrieben die Auszubildenden, vor allem im gewerblich-technischen Bereich. Diese sogenannte Bildungsverschiebung sorgt dafür, dass einfache und mittlere Qualifikationen kaum noch nachwachsen. 2023 etwa blieben 35 Prozent der deutschen Ausbildungsstellen unbesetzt, im Bereich „Energie, Wasser & Abfall“ 32 Prozent.
Vier Trends verstärken den Fachkräftemangel gleichzeitig
Quelle Zahlen: Destatis 2022, Statista und Destatis 2023
Grafik: WK Personalberatung
Zweitens: Die Bevölkerung schrumpft. Langsam, aber stetig. Im moderaten Szenario des Statistischen Bundesamts verliert Deutschland bis 2040 rund eine Million Menschen. Bis 2060 könnten es sogar fünf Millionen sein. Besonders betroffen: ländliche Räume und kleinere Städte, also genau dort, wo viele Stadtwerke ansässig sind.

Hinzu kommt: Die Babyboomer gehen in Rente. Allein bis 2036 scheiden über zwölf Millionen Erwerbstätige altersbedingt aus dem Arbeitsmarkt aus. Das entspricht mehr als einem Viertel der heutigen Beschäftigten. Viele gehen zudem vorzeitig in Rente. Die Lücke lässt sich nicht einfach durch Zuwanderung schließen, zumal viele zugewanderte Fachkräfte für Ausbildungs- oder Anerkennungsverfahren oft Monate oder Jahre brauchen. Und etwa ein Viertel der Zugewanderten, insbesondere der gut ausgebildeten, denkt aktuell daran, wieder auszuwandern.
Recruiting-Tipps für Stadtwerke: Was kommunale Versorger jetzt tun können
Recruiting-Tipp Nr. 1: HR muss zum Talentmagneten werden
- Recruiter brauchen Marktverständnis. Es reicht nicht, Stellen zu verwalten. Gute Leute wollen überzeugt werden. Durch die richtige Ansprache, durch Haltung und Tempo.
- Dafür braucht HR auch Zugriff auf Daten: Wer kann was? Wo fehlen Kompetenzen? Wie wirken sich Kündigungen aus? Nur so lassen sich Recruiting und Personalentwicklung gezielt steuern.
- Mitarbeiter erwarten Perspektiven. Kein „Onboarding und fertig“. Persönliche Entwicklungs- und Lernpfade müssen bereits im Recruiting aufgezeigt und in eine gute Employee Experience überführt werden.
- Standardangebote genügen daher nicht mehr. Sabbaticals, Teilzeitmodelle, mobiles Arbeiten usw. Wer gute Erfahrungen schaffen will, muss auch individuelle Lösungen anbieten können.
Warum die gesamte Employee Experience (EX) relevant ist
Recruiting-Tipp Nr. 2: Personalplanung gehört in die Unternehmensstrategie
- Der demografische Wandel trifft viele kommunale Versorger hart. In technischen Bereichen scheidet bis 2030 ein erheblicher Teil der Belegschaft altersbedingt aus.
- Gute Personalplanung denkt strategisch, d.h. in Kompetenzen und nicht in Stellen. Netzumbau, Wärmewende, Digitalisierung. Für all das braucht es neue Fähigkeiten, also eigentlich neue, andere Mitarbeiter.
- Wer Wärmenetze ausbauen oder Kraftwerke modernisieren muss, muss zugleich klären, wie Kompetenzen aufgebaut und gesichert werden. Nicht als nachgelagerter Gedanke, sondern von Beginn an. Stadtwerke, die technische Großprojekte planen, brauchen frühzeitig Klarheit über Personalrisiken, sonst entstehen teure Verzögerungen.
Recruiting-Tipp Nr. 3: Der Einstellungsprozess ist die Visitenkarte
Wer hier unklar, langsam oder bürokratisch agiert, verliert Talente an agilere Arbeitgeber. Studien belegen: Über die Hälfte der Bewerber bricht ab, wenn Prozesse zu umständlich sind oder der Kontakt stockt. Der erste Eindruck entsteht also nicht bei Arbeitsantritt, sondern beim Erstkontakt.

Bereits der Erstkontakt ist entscheidend
So schnell müssen Stadtwerke werden
Quelle Zahlen: Karriere.at
Grafik: WK Personalberatung
So verbessern kommunale Versorger ihre Candidate Experience:
- Antwort-Zeit regeln: Bewerbungsstatus und Termine innerhalb weniger Tage bekanntgeben.
- Einfache Formulare: mobile Bewerbung erlauben, Pflichtfelder minimieren.
- Menschlich bleiben: persönliche Rückmeldungen, keine automatisierten Massenmails.
- Transparente Stellenanzeigen: Angaben zu Gehalt, Ablauf und Ansprechpartner klar formulieren.
- Feedbackschleife bieten: Absagen mit Wertschätzung senden. Das schafft Markenbindung.
Recruiting-Tipp Nr. 4: Kompetenzen zählen mehr als Fachwissen
- Anforderungsprofile entrümpeln. Streichen, was nicht zwingend nötig ist.
- Kompetenzen prüfen, nicht nur Abschlüsse. Zum Beispiel durch Fallbearbeitungen oder strukturierte Interviews.
- Quereinstieg zulassen, wo Aufgaben erlernbar sind.
- Einarbeitung modular denken, um auch unerfahrene Kräfte Schritt für Schritt einzubinden.
- Führungskräfte sensibilisieren. Weg von „Das haben wir immer so gemacht“ hin zu „Was bringt uns voran?“
Recruiting-Tipp Nr. 5: Fachkräftepotenzial Frauen stärker nutzen
Frauen sind oft besser qualifiziert, aber in Technik und Führung deutlich unterrepräsentiert. Gerade Stadtwerke, die oft vor großen Transformationsprojekten stehen, können es sich nicht leisten, auf motiviertes Fachkräftepotenzial zu verzichten, nur weil Strukturen nicht passen.
Ungenutzte Potenziale: Die Diversitätslücke
Quelle Zahlen: Destatis, Statista und Mediendienst Integration
Grafik: WK Personalberatung
- Technik greifbar machen: Frühzeitig ansetzen. Praktika, Mentoring und Rollenmodelle zeigen jungen Frauen technische Perspektiven.
- Karrierewege öffnen: Jobsharing, Teilzeitführung oder Rückkehroptionen nach der Elternzeit halten Kompetenzen im Unternehmen und gehören auf die Agenda.
- Teilzeitfalle überwinden: Frauen mit technischer Ausbildung oder Studium fallen durch Betreuungsverantwortung oft aus dem klassischen 100 Prozent-Rollenmodell heraus – obwohl sie für viele Stadtwerke-Rollen qualifiziert wären.
- Kultur aktiv ändern: Geschlechterklischees durchbrechen, Weiterbildung über Gender inklusive Sprache und Verhalten fördern.
- Vorbilder sichtbar machen: Frauen in leitenden Positionen klar positionieren. Nach innen und nach außen.
Recruiting-Tipp Nr. 6: Fachkräftepotenzial durch Zuwanderung nutzen, aber richtig
Potenzial Zuwanderung ist noch nicht ausgeschöpft
Quelle Zahlen: Destatis
Grafik: WK Personalberatung
- Einsteigerprogramme anpassen: Sprachlich unterstützte Ausbildungsgänge, Brückenmaßnahmen, Praktika gemeinsam mit IHKs oder Berufsschulen aufsetzen.
- Bewerbungsprozesse vereinfachen: Digitale Verfahren, weniger formale Anforderungen, gezielte Kommunikation über passende Kanäle.
- Erste Anlaufstellen schaffen: Dolmetschende Kollegen, feste Ansprechpartner in HR, Willkommensmappe in einfacher Sprache.
- Geflüchtete einbinden: Kooperation mit Integrationsprojekten, z. B. für technische Hilfstätigkeiten mit Perspektive auf Ausbildung.
Die Erfahrung zeigt: Wer Bewerber mit Migrationshintergrund durch Verfahren wie Anerkennung, Sprachförderung oder Arbeitsgenehmigung begleitet, spart Zeit. Ohne individuelle Unterstützung scheitern viele Prozesse und gute Fachkräfte gehen verloren.
Recruiting-Tipp Nr. 7: Fachkräfte gemeinsam sichern
- Lokale Handwerksbetriebe integrieren: Einige Stadtwerke sichern sich mit Beteiligungen oder Übernahmen von Tiefbau- oder Installationsfirmen eigene Kapazitäten, etwa für Netzanschlüsse, Hausinstallationen oder Erschließungen. Beispiel: Die Stadtwerke Münster haben sich 2023 mit 51 Prozent an der Firma RHT beteiligt, um Tiefbauressourcen langfristig zu sichern.
- Kooperationen nutzen: Besonders für kleine und mittlere Versorger kann sich der Aufbau gemeinsamer Personalpools lohnen. Einige kommunale Versorger bündeln ihre IT, Abrechnung oder Technik in Kooperationsgesellschaften und können dort auch wettbewerbsfähigere Gehälter zahlen. Beispiel: Die Stadtwerke Georgsmarienhütte, Lengerich, Versmold und die TEN arbeiten über das gemeinsame Shared-Service-Unternehmen „edikoo“ zusammen.
Fazit
FAQs
Wie schaffe ich es, technische Fachkräfte trotz Tarifbindung zu gewinnen?
Überzeugen Sie mit dem Gesamtpaket: sichere Beschäftigung, gute Arbeitsbedingungen, Entwicklungsmöglichkeiten. Nutzen Sie Zulagen, Prämien oder individuelle Modelle im Rahmen des TVöD. Viele wechseln nicht wegen des Gelds, sondern wegen fehlender Flexibilität und der Führung.