Energieversorger stehen an einem kritischen Wendepunkt: Während die Energiewende als Jobmotor wirkt und hunderttausende neue Arbeitsplätze schafft, kämpfen kommunale Versorger mit einem beispiellosen Investitionsstau bei gleichzeitig akutem Fachkräftemangel. Die Anforderungen an die Infrastruktur steigen, während die finanziellen Spielräume immer enger werden. In dieser Situation richtet sich der Blick hoffnungsvoll auf das geplante Sondervermögen für Infrastruktur der neuen Bundesregierung. Doch kann dieses Instrument tatsächlich die Rettung für die Stadtwerke sein? Und wie lässt sich das Dilemma lösen, wenn zwar Mittel zur Verfügung stehen, aber das Personal für die Umsetzung fehlt?
Inhalt
- Energiewende krisenresilienter Jobmotor
- Kommunale Versorger & Stadtwerke vor besonderen Herausforderungen
- Fachkräftemangel könnte zum Flaschenhals werden
- Fazit
- FAQs
Energiewende krisenresilienter Jobmotor
Trotz Konjunkturflaute bleibt die Energiewende mit 370.000 geschaffenen Arbeitsplätzen in den letzten fünf Jahren ein Jobmotor in Deutschland. Während konjunkturbedingt die Gesamtzahl der Stellenangebote branchenübergreifend um 16 Prozent einbrach, ging die Zahl im Bereich der erneuerbaren Energien lediglich um 8 Prozent zurück. Jobs mit Bezug zur Energiewende (einschließlich der dazugehörigen Infrastruktur) machen mittlerweile fast vier Prozent an allen ausgeschriebenen Stellen aus. Das zeigt zumindest die Auswertung von 60 Millionen Online-Stellenanzeigen des IW Köln.
Anteil an Stellen mit Bezug zur Energiewende wächst
Quelle Zahlen: Jobmonitor
Grafik: WK Personalberatung
Während die Industrie also großflächig Stellen abbaut, entstehen im Bereich der Energiewende trotz mauer Konjunktur neue Jobs. Treiber dieser Entwicklung bei den Erneuerbaren sind vor allen der Solar- und Windbereich. Im Bereich Solarenergie hat sich die Zahl der ausgeschriebenen Stellen zwischen 2019 und 2024 mehr als verdoppelt (von 41.500 auf 102.000) – trotz des Rückgangs in 2023 und 2024. Das gilt auch für die Windenergie, in der sich die Zahl der Stellenausschreibungen um 70 Prozent (auf knapp 53.000) erhöhte. Da im Jahr 2024 eine Genehmigungsrekord für Windkraftanlagen zu verzeichnen war, wird auch in den kommenden Jahren von einem erhöhten Bedarf an Arbeits- und Fachkräften auszugehen sein.
Top-10-Berufe mit Bezug zu erneuerbaren Energien
Quelle Zahlen: IW Köln
Grafik: WK Personalberatung
Top-10-Berufe mit Bezug zu Energieinfrastruktur
Quelle Zahlen: IW Köln
Grafik: WK Personalberatung
Kommunale Versorger vor besonderen Herausforderungen
Der Geschäftsführer vom Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE), Wolfram Axthelm, sieht vor allem in den Stadtwerken große Jobpotenziale. Denn dort würde in den nächsten Jahren umfassend in neue Projekte der kommunalen Wärmeplanung investiert. Schon heute produzieren verschiedene kommunale Versorger mithilfe von Power-to-Heat-Technologie umweltfreundliche Fernwärme. Außerdem würden weitere Forschungsinitiativen zur Geothermie gestartet. Dies wird zu neuen, zukunftsträchtigen Arbeitsstellen sowie einer wachsenden Nachfrage führen. Allerdings trifft hier ein hoher Investitionsbedarf auf Hemmnisse, vor allem weil kommunale Versorger neben der Klimaneutralität auch Ver- und Entsorgungssicherheit bei bezahlbaren Preisen anstreben.
Größter Investitionsbedarf laut kommunaler Versorger
Quelle Zahlen: VKU
Grafik: WK Personalberatung
Allein die Infrastrukturen der Wasserwirtschaft erreichen bald das Ende ihrer Nutzungsdauer und müssen an die Folgen des Klimawandels angepasst werden. Der Sanierungsbedarf wird hier insgesamt auf 800 Milliarden geschätzt, da viele Kommune die Erneuerung ihrer Netze schleifen lassen haben.

Wer soll das aber bezahlen? Laut Deutschem Städte- und Gemeindebund sind beispielsweise Investitionen im Wasser- und Abwasserbereich „grundsätzlich nutzerfinanziert“. Diese – also Verbraucher und Wirtschaft – können die hohen Finanzierungsbedarfe aber definitiv nicht stemmen. Die kommunalen Versorger und Stadtwerke setzen daher auch darauf, dass durch mögliche Lockerung der Schuldenregelungen auf Landesebene und/oder das geplante Sondervermögen für Infrastruktur der neuen Bundesregierung neuer Spielraum für die notwendigen Sanierungen eingeräumt wird.
Fachkräftemangel könnte zum Flaschenhals werden
Zugleich ist der Fachkräftemangel in der Energiewirtschaft enorm, insbesondere bei den Stadtwerken. So sehr der Stellenzuwachs der Energiewende zugutekommt: Letzten Endes zählt nur, ob und wie die ausgeschriebenen Stellen besetzt werden können. Und da sieht es nicht ganz so rosig aus. Betroffen sind dabei vorrangig Berufe mit technischer und handwerklicher Qualifikation. Laut Bundesagentur für Arbeit gehören folgende, für den Ausbau von Infrastruktur und Erneuerbaren besonders wichtigen Berufe zu den Engpassberufen:
- Bauelektrik (Fachkräfte)
- Sanitär-, Heizung- und Klimatechnik (Fachkräfte)
- Elektrische Betriebstechnik (Fachkräfte)
- Elektrotechnik (Experten und Experten)
- Rohrleitungsbau (Fachkräfte)
- Aufsicht Elektrotechnik
- Bauelektrik (Fachkräfte)
- Regenerative Energietechnik (Spezialisten)
- Sanitär-, Heizung- und Klimatechnik (Fachkräfte)
- Elektrische Betriebstechnik (Fachkräfte)
- Dachdeckerei (Fachkräfte)
93 Prozent der Unternehmen im Energie- und Versorgungssektor berichten laut aktuellem Arbeitsmarktbarometer der ManpowerGroup von Schwierigkeiten bei der Besetzung offener Stellen. Das entspricht einem Anstieg von 30 Prozent im Vergleich zum Jahresbeginn 2024 (63 %).

Die Branche setzt daher auch verstärkt auf einen Anstieg der Quereinsteiger – insbesondere aus Branchen, die gerade Schwierigkeiten haben. Entsprechend ist der Anteil an Quereinsteigern im Bereich Erneuerbare Energien über alle Qualifikationsniveaus zwischen 2019 und 2014 von 2,4 auf 3,8 Prozent gestiegen, im Bereich Energieinfrastruktur von 1,4 auf 2,9 Prozent. Ein Teil der Unternehmen bietet auch schon eigene Berufsakademien zur Qualifikation der eigenen Mitarbeiter an.

Fazit
Das geplante Sondervermögen für Infrastruktur bietet Stadtwerken und Energieversorgern dringend benötigte finanzielle Entlastung, kann jedoch allein nicht als Rettung bezeichnet werden. Es schafft zwar die Grundlage für notwendige Investitionen in Netze, Erzeugungsanlagen und Speicher, löst aber nicht das fundamentale Problem des Fachkräftemangels. Die Rettung für Stadtwerke wird vielmehr in einem ganzheitlichen Ansatz liegen: Das Infrastrukturpaket muss durch eine strategische Personalplanung flankiert werden.
Während Quereinsteigerprogramme und eigene Berufsakademien erste Ansätze bieten, werden diese allein nicht ausreichen, um die wachsenden Personallücken zu schließen. Kommunale Versorger und Energieunternehmen sollten daher verstärkt auf maßgeschneiderte Recruiting-Strategien setzen. Spezialisierte Personalberatungen mit Branchenkenntnis können dabei helfen, die passgenaue Besetzung kritischer Positionen zu gewährleisten und so den Transformationsprozess zu beschleunigen. Nur mit der richtigen Kombination aus finanzieller Ausstattung und qualifiziertem Personal werden Stadtwerke und kommunale Versorger die Herausforderungen der Energiewende erfolgreich meistern können.