Die chemische Industrie ist mit über 346.000 Beschäftigten und rund 218 Milliarden Umsatz eine Schlüsselbranche in Deutschland. Obwohl die Konjunktur schwächelt und Energiepreise hoch sind, bleibt ein hoher struktureller Fachkräftebedarf bestehen, der durch demografischen Wandel, Digitalisierung und ökologische Transformation befeuert wird. Wie groß die Lücken sind und warum althergebrachte Rezepte nicht mehr ausreichen, zeigt ein genauer Blick auf die Zahlen und die betroffenen Berufsfelder.
Inhalt
- Trotz Abschwung fehlen 71.000 Fachkräfte
- Fachkräftemangel in der Chemiebranche: Welche Berufsfelder sind konkret betroffen?
- Der Fachkräftebedarf bleibt langfristig hoch
- Warum Maßnahmen wie Nachwuchs- und Frauenförderung nicht reichen werden
- Wie Personalberatungen kritische Engpässe überbrücken
- Fazit
- FAQs
Trotz Abschwung fehlen 71.000 Fachkräfte
Auftragseingänge weiterhin im Abwärtstrend auf niedrigem Niveau
Quelle Zahlen: VCI
Grafik: WK Personalberatung
Die Branche hält bislang trotz größeren Personalabbaus bei BASF & Co. weitestgehend an ihren Fachkräften fest. Eine richtige Entscheidung. Denn der Fachkräftemangel in der Chemiebranche verschärft sich demografisch bedingt kontinuierlich. Und er treibt die Löhne weiter nach oben. Sobald die Nachfrage wieder anzieht – und sie wird anziehen, wenn voraussichtlich auch erst ab frühestens 2026 – wird es ohne Personal schwer werden, die Produktion schnell zu skalieren.
Neben Regulierung belasten hohe Lohnkosten und fehlende Mitarbeiter die chemische Industrie
Quelle Zahlen: VCI
Grafik: WK Personalberatung
Anteil der Unternehmen für die der Fachkräftemangel in der Chemiebranche eine mindestens schwerwiegende Belastung darstellt
Quelle Zahlen: VCI
Grafik: WK Personalberatung
Im Jahresdurchschnitt 2024 blieben laut IW Köln in der chemischen Industrie über 71.000 Stellen unbesetzt, das heißt für diese Stellen gab es rein rechnerisch keine passend qualifizierten Arbeitslosen am Markt. Betroffen sind aber nicht alle Bereiche gleichermaßen.
Fachkräftemangel in der Chemiebranche: Welche Berufsfelder sind konkret betroffen?
Während in Forschung und Labor sowie Verwaltung und Logistik die Stellenbesetzung aktuell noch unproblematisch ist, zeigen andere Bereiche deutliche Engpässe. In der Technik und Instandhaltung ist die Situation am angespanntesten: Hier gab es 2024 etwa 46.500 unbesetzte Stellen, was einem Anteil von 53,3 Prozent aller offenen Stellen entspricht.
Betroffene Berufe im Detail (mit Pharma): Die größten Engpässe in technischen und produktionstechnischen Kernbereichen
Quelle Zahlen: IW Köln
Grafik: WK Personalberatung
Der Fachkräftebedarf bleibt langfristig hoch
- Demografie: In den nächsten zehn Jahren geht in der chemisch-pharmazeutischen Industrie rund ein Viertel der Beschäftigten in Rente. Das entspricht über 1,5 Millionen Personen. Allein dadurch entsteht ein massiver Ersatzbedarf.
- Strukturwandel: Digitalisierung, Automatisierung und ökologische Transformation schaffen zusätzlich neue Aufgabenfelder und erhöhen den Qualifikationsbedarf.
Selbst, wenn also die Konjunktur schwächelt, bleibt die Fachkräftelücke langfristig bestehen und wird sich durch den demografischen Wandel und neue Kompetenzanforderungen vergrößern. Die Branche muss also nicht nur kurzfristige Engpässe stemmen, sondern steht vor einem dauerhaft erhöhten Fachkräftebedarf, der strategisch angegangen werden muss.
Warum Maßnahmen wie Nachwuchs- und Frauenförderung nicht reichen werden
Ausbildung stärken, Frauen besser einbinden, ältere Mitarbeiter länger in Arbeit halten und internationale Fachkräfte konsequenter gewinnen, sind so in etwa die Klassiker, die von Branchenexperten wie beispielsweise den Autoren des „Fachkräftechecks Chemie“ des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung (KOFA) empfohlen werden. Und jede dieser Empfehlungen ist auch sinnvoll, wenn man den Anschluss im War for Talents nicht ganz verlieren möchte. Die Umsetzung trifft in der Praxis aber oft auf hartnäckige Hindernisse.
Zum Beispiel investieren viele Unternehmen in Ausbildungsmarketing und Schulkooperationen. Dennoch bleiben in vielen Chemieparks Ausbildungsplätze für Chemikanten, Produktionsfachkräfte oder Instandhaltungstechniker unbesetzt. Selbst attraktive Ausbildungsvergütungen können nur begrenzt helfen, wenn einfach viel zu wenig Schulabgänger verfügbar sind und viele Jugendliche eher Richtung Studium tendieren.
Die Entwicklung der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge in Ausbildungsberufen der chemisch-pharmazeutischen Industrie
Quelle Zahlen: IW Köln
Grafik: WK Personalberatung
Top-5-Berufe mit dem höchsten & niedrigsten Frauenanteil
Quelle Zahlen: IW Köln
Grafik: WK Personalberatung



