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Der Fachkräftemangel in der Rüstungsbranche wird zum Hemmschuh für Aufrüstungspläne

Foto einer Kammpdrohne am Himmel, die Raketen abfeuert.

Nicht einmal ein halbes Prozent. Das ist der Beitrag der deutschen Rüstungsindustrie an der deutschen Wirtschaftsleistung. Dieser soll zukünftig massiv gesteigert werden. Einige sprechen bereits von einer neuen Boombranche oder von einem neuen deutschen Jobmotor. Denn Unternehmen wie Rheinmetall, Renk, MBDA, Hensoldt und Kraus-Maffei Wegmann bauen ihre Produktionskapazitäten seit drei Jahren im großen Umfang aus. Und sie brauchen zusätzliches Personal. Wie aber die erforderlichen Fachkräfte finden, wenn branchenübergreifend enorme Personallücken bestehen? Einzelne Rüstungskonzerne sehen in der kriselnden Autoindustrie eine Chance. Warum das laut Experten nicht reichen wird, diskutieren wir in diesem Artikel.

Inhalt

  1. Fachkräftemangel in der Rüstungsbranche: Daten und Fakten
  2. Von Krisenwerken zu Rüstungsschmieden: Die Übernahmewelle
  3. Stellenboom in der Rüstungsindustrie: Wer wird gesucht?
  4. Auto2Defence: Von Autobauern zu Panzerbauern
  5. Die Grenzen der Branchenumschichtung: Warum es nicht so einfach ist
  6. Fazit
  7. FAQs

Fachkräftemangel in der Rüstungsbranche: Daten und Fakten

Europa will massiv in sein Militär investieren, um seine Verteidigungsfähigkeit zu stärken. Hierzu muss die Rüstungsbranche ihren Manufakturbetrieb skalieren und Hunderttausende neue Stellen schaffen – und natürlich auch besetzen. Gerade Letzteres dürfte schwierig werden, da europaweit bis zu 760.000 Fachkräfte fehlen könnten.

Europäischer Fachkräftemangel in der Rüstungsbranche in Abhängigkeit vom NATO-Ziel

Quelle Zahlen: Spiegel Online
Grafik: WK Personalberatung

Steigern die NATO-Staaten beispielsweise ihre Rüstungsausgaben lediglich moderat, um dem „alten“ NATO-Ziel von 2 Prozent des BIPs gerecht zu werden, würden in Europa über 160.000 Fachkräfte fehlen. Bei einer Steigerung von 2,5 Prozent 460.000, bei 3 Prozent bereits 760.000; bei der aktuell diskutierten Steigerung von 3,6 Prozent sogar 1.118.200 (eigene Hochrechnung auf Grundlage der prognostizierten Zahlen). Am stärksten wird die Fachkräftenachfrage in Deutschland, Polen und das Vereinigte Königreich ansteigen. In Deutschland werden allein die aktuell geplanten Investitionen in die Rüstungsindustrie mehr als 137.000 neue Arbeitsplätze erforderlich machen.

Die wichtigsten Berufsfelder in der Rüstungsbranche

Vorausgesetzt, dass sich die Struktur der Rüstungsausgaben nicht ändern wird – in Zukunft also genauso viele Waffen von den USA gekauft werden. Danach sieht es aber nicht aus: Die EU plant, ihre rüstungspolitische Abhängigkeit von den USA deutlich zu verringern. Und das bedeutet eine drastische Steigerung der europäischen Produktion, die den Fachkräftemangel in der Rüstungsbranche zusätzlich verschärfen wird.

Von Krisenwerken zu Rüstungsschmieden: Die Übernahmewelle

Die Rüstungsindustrie selbst hat bereits auf die Ankündigung neuer Investitionen reagiert und kauft kräftig frei werdende Kapazitäten bei schwächelnden Branchen auf, um ihre Kapazitäten schnell hochzufahren.

Foto: Automobilwerk mit Potenzial zur Umrüstung gegen Fachkräftemangel in der Rüstungsbranche
Vor allem Produktionsstätten der Automobilindustrie sollen übernommen werden

So hat Branchenprimus Rheinmetall Anfang 2025 angekündigt, zwei Fabriken in Berlin und Neuss, in denen bislang Autoteile hergestellt wurden, zu „Hybridwerken“ umzufunktionieren, um in diesen auch Militärgüter zu produzieren. Ginge es nach dem Rheinmetall-CEO Papperger, könnten auch kriselnde Autowerke wie das VW-Werk in Osnabrück übernommen werden. Das steht bei VW auf der Streichliste. Eine tatsächliche Übernahme hängt aber noch von entsprechenden Aufträgen seitens der Bundesregierung ab.

Foto: Ehemaliges Waggonwerk vor Umrüstung für Rüstungsproduktion
Auch Waggonwerke werden aufgekauft und umgerüstet

Auch das deutsch-französische Joint Venture KNDS hat kürzlich vom französischen Zughersteller Alstom ein Waggonwerk in Görlitz erworben. Der Standort sollte eigentlich geschlossen werden. Nach der KNDS-Übernahme wird er aber umgerüstet, um Rohbaumodule für Wehrtechnik und Komponenten für Militärfahrzeuge zu produzieren, unter anderem für den Kampfpanzer Leopard 2 und den Schützenpanzer Puma. Noch 2025 soll die Transformation eingeleitet werden; KNDS sucht hierfür bereits kräftig nach Personal.

Foto: Bau eines Schiffs in einer Werft wie die in Wismar
Auch krisengebeutelte Werften finden neuen Hafen in der Rüstungsindustrie

Daneben ist die von Pleiten geprüfte Werft in Wismar ist von Kieler U-Boot-Bauer Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS) übernommen worden. TKMS wird sechs U-Boote für die Deutsche Marine und Norwegen bauen. Hier soll das Personal in den nächsten fünf Jahren von aktuell etwa 100 auf 1.500 Mitarbeiter aufgestockt werden. Noch 2025 sollen hierzu 100 und in den Folgejahren jeweils 300 Schiffbauer eingestellt werden.

Stellenboom in der Rüstungsindustrie: Wer wird gesucht?

Laut Index Research haben sich die Stellenanzeigen von Rüstungsunternehmen seit 2022 mehr als verdoppelt. Rheinmetall beispielsweise hat 2024 mehr als 3.700 Stellen annonciert. Zur Top 5 der suchenden Rüstungsunternehmen gehören auch MBDA, Krauss-Maffei, Diehl sowie Heckler und Koch.

Top 5 Rüstungshersteller nach Stellenausschreibungen

Gesucht werden vor allem für die Rüstungsindustrie wichtige Industrieberufe wie Maschinenbau, Betriebstechnik, Metallbearbeitung, Produktionsplanung sowie Unternehmensorganisation.

Die gefragtesten Berufsgruppen Januar bis Februar 2025 nach Anzahl der Stellenanzeigen

Neben den klassischen „Hardwareberufen“ zur Produktion verschiedener Waffengattungen dürften zukünftig auch verstärkt rüstungsrelevante MINT-Berufe (v. a. Optoelektroniker, Akustiker und IT-Fachleute) sowie klassische Wirtschaftsberufe (Management, HR, Verwaltung, Sekretariat) nachgefragt werden. Besonders starke Lücken werden sich zudem in technologischen Schlüsselbereichen wie KI auftun. Hier werden vor allem Experten fehlen, die autonome Waffensysteme sowie Lösungen für eine bessere Vernetzung auf dem Gefechtsfeld und elektronische Kriegsführung entwickeln können.

Und schließlich führen Kapazitätenausbau und Personalaufstockung bei den großen Rüstungskonzernen auch zu Wachstumsimpulsen bei ihren Zulieferern. Allein Rheinmetall plant, dieses Jahr Aufträge im Wert von fünf bis sechs Milliarden Euro an kleine und mittelständische Zulieferer zu vergeben. Für jeden direkten Arbeitsplatz bei Rheinmetall entstehen so laut Rheinmetall-Chef Papperger etwa drei weitere bei seinen Vorleistern. Auch dieser Multiplikatoreffekt wird sich verschärfend auf die Fachkräftesituation auswirken.

Auto2Defence: Von Autobauern zu Panzerbauern

Die in schwächelnden Branchen freiwerdenden Kapazitäten sollen auch zum Schließen der Personallücken in der Rüstungsindustrie genutzt werden. Besonders stark im Blick: Automobilhersteller und deren Zulieferer. So hat Rheinmetall bereits Mitte 2024 eine Absichtserklärung mit dem Zulieferer Continental abgeschlossen. Ziel der Vereinbarung ist, den wachsenden Personalbedarf bei Rheinmetall durch freiwerdende Continental-Mitarbeiter zu ersetzen. So sollen 100 Mitarbeiter des Continental-Standorts in Gifhorn an die 55 Kilometer entfernte Munitionsfabrik in Unterlüß abgegeben werden. Continental nutzt bereits seine unternehmenseigenen Fortbildungszentren, um seine Mitarbeiter auf ihre neuen Aufgaben bei Rheinmetall vorzubereiten.

Personalaufstockung einzelner Hersteller

Quelle Zahlen: RND, FAZ und T-Online
Grafik: WK Personalberatung

Auch der nahe München ansässige Radar- und Sensorspezialist Hensoldt will laut Reuters 200 Mitarbeiter von Continental und Bosch übernehmen. Hierzu wurden unter anderem den Mitarbeitern am Continental-Standort Wetzlar bereits die Beschäftigungsmöglichkeiten bei Hensoldt vorgestellt.

Die Grenzen der Branchenumschichtung: Warum es nicht so einfach ist

An sich eine gute Idee: Beschäftigte aus der schrumpfenden Automobilbranche weiterzubilden, um den wachsenden Bedarf in der Rüstung auszugleichen. Immerhin gleichen sich viele Tätigkeiten. Vor allem in der Produktion macht es erstmal keinen Unterschied, ob eine Fachkraft Karosserien für Autos oder gepanzerte Fahrzeuge herstellt. Im Hochtechnologiebereich sieht es schon etwas komplizierter aus, wie selbst Hensoldt-Chef Oliver Dörr einräumt.

Kampfflugzeug mit komplexen Radarsystemen benötigt spezialisierte Fachkräfte.
Radarsysteme von Kampfflugzeugen sind deutlich komplexer als Abstandsysteme für Autos

Hinzu kommt, dass lange Sicherheitschecks die schnelle Expansion der Rüstungsunternehmen behindern. Denn: Ingenieure und andere Fachkräfte müssen in besonders sensiblen Bereichen mit geschützten Materialien für Panzer und Munition umgehen. Genau dafür ist eine Freigabe seitens der Behörden erforderlich. Und die kann bis zu einem Jahr dauern.

Foto: Sicherheitsüberprüfungen verzögern Personalgewinnung in der Rüstungsbranche
Sicherheitschecks bremsen die Personalaufstockung bei Rüstungsherstellern
Und dann steht der Branche – wie jeder in Deutschland – ein Generationswechsel bevor. Die Babyboomer verabschieden sich in den nächsten Jahren aus dem Arbeitsmarkt. Das wird in die überalterte Branche weitere Lücken reißen. Die wahrscheinlich nicht ganz so einfach aus anderen Branchen zu decken sind. Diese kämpfen nämlich ebenso mit dem demografischen Wandel.
Bild: Demografischer Wandel verschärft Fachkräftemangel in der Rüstungsbranche
Auch in der Rüstungsindustrie gehen bald viele Fachkräfte in Rente

Erschwert wird die Personalsuche auch dadurch, dass die Branche zwar „raus aus der Schmuddelecke“ sei, wie die ehemalige Renk-Chefin Susanne Wiegand es ausdrückte, bei Rankings und Umfragen aber nach wie vor weniger gut abschneidet als in der Eigenwahrnehmung. Die Skepsis oder auch die ethischen Bedenken sind gegenüber der Branche zum Teil immer noch sehr viel größer also gegenüber anderen Bereichen – trotz der sehr guten Gehälter (Rheinmetall zahlt im Schnitt 93.000 Euro) und sehr guten Aufstiegsmöglichkeiten.

Fazit

Die Rüstungsbranche trifft auf das gleiche Hindernis, mit dem auch andere Schlüsselindustrien zu kämpfen haben: den demografischen Wandel. Dieser wird die Übernahme von Fach- und Führungskräften aus anderen Branchen erschweren. Trotz der frei werdenden Kapazitäten in der kriselnden Automobilindustrie.
Auf dem knapper werdenden Markt konkurriert die Rüstungsindustrie zudem mit Industrieunternehmen wie Siemens oder Bosch, aber auch mit Tech-Firmen und Start-ups, die oft als attraktivere Arbeitgeber wahrgenommen werden. Insbesondere in Bereichen wie KI, Robotik und Cybersicherheit – allesamt zentral für moderne Verteidigungssysteme.
Die Zulieferkette verstärkt das Problem. Wenn ein Konzern wie Rheinmetall tatsächlich drei indirekte Jobs pro direktem Arbeitsplatz schafft, bedeutet das, dass die mittelständischen Zulieferer vor denselben Rekrutierungsherausforderungen stehen und den Fachkräftemangel in der Rüstungsbranche verstärken.
Der Technologiesprung zu KI-gestützten Waffensystemen und Cybersicherheit verlangt zudem hochspezialisierte Fachkräfte. Während die Politik Rüstungsausgaben von der Schuldenbremse ausnimmt, wurden Bildungsinvestitionen für MINT-Fächer nicht priorisiert – eine Diskrepanz, die sich nun rächt.

FAQs

Wie groß ist der Fachkräftemangel in der Rüstungsbranche tatsächlich?

Je nach Aufrüstungsszenario fehlen in Europa zwischen 160.000 und über eine Million Fachkräfte, wobei allein in Deutschland durch aktuelle Investitionen über 137.000 neue Arbeitsplätze entstehen sollen. Der Fachkräftemangel in der Rüstungsbranche verschärft sich dadurch, dass gleichzeitig viele erfahrene Mitarbeiter in den Ruhestand gehen und der Wettbewerb um qualifizierte Arbeitskräfte branchenübergreifend intensiv ist.

Welche Berufsgruppen sind vom Fachkräftemangel in der Rüstungsbranche besonders betroffen?

Besonders gefragt sind klassische Industrieberufe wie Maschinenbau, Betriebstechnik und Metallbearbeitung, aber auch spezialisierte MINT-Fachkräfte, insbesondere in zukunftsträchtigen Bereichen wie KI und autonomen Systemen. Lücken zeigen sich zudem in der Produktionsplanung und Unternehmensorganisation, wo qualifiziertes Personal für die Skalierung der Produktion benötigt wird.

Kann die Auto2Defence-Initiative den Fachkräftemangel in der Rüstungsbranche lösen?

Die Umschulung von Fachkräften aus der Automobilindustrie ist ein vielversprechender Ansatz, der jedoch allein nicht ausreichen wird, um den massiven Fachkräftemangel in der Rüstungsbranche zu beheben. Während Produktionstätigkeiten relativ einfach übertragbar sind, gestaltet sich die Besetzung von Hochtechnologiebereichen schwieriger. Auch langwierige Sicherheitschecks bremsen eine schnelle Personalaufstockung.

Welche Auswirkungen hat der Fachkräftemangel in der Rüstungsbranche auf die europäischen Verteidigungspläne?

Der Fachkräftemangel in der Rüstungsbranche droht zum Flaschenhals für die europäischen Aufrüstungspläne zu werden und könnte die angestrebte größere Unabhängigkeit von US-Waffenimporten verzögern. Die ambitionierten NATO-Ziele von bis zu 3,6 Prozent des BIP für Verteidigungsausgaben könnten durch den Fachkräftemangel in der Rüstungsbranche schwerer zu erreichen sein, was die Verteidigungsfähigkeit beeinträchtigen könnte.

Wie attraktiv ist die Rüstungsbranche für Arbeitnehmer angesichts des Fachkräftemangels?

Die Rüstungsbranche bietet mit durchschnittlichen Gehältern von etwa 93.000 Euro bei Unternehmen wie Rheinmetall und guten Aufstiegsmöglichkeiten attraktive Bedingungen für Fachkräfte. Trotz des Fachkräftemangels in der Rüstungsbranche und der damit verbundenen guten Verhandlungsposition für Bewerber bleibt die Branche jedoch für viele potenzielle Arbeitnehmer aufgrund ethischer Bedenken weniger attraktiv als andere Industriezweige.

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