Auch im Jahr 2024 sieht sich die deutsche Steuerberatungsbranche einem erheblichen Mangel an qualifizierten Fachkräften gegenüber. Viel zu viele Steuerkanzleien suchen Fachkräfte, um Personallücken zu schließen, zu expandieren oder Spezialisierungen voranzutreiben. Der Artikel bietet einen Überblick über das Ausmaß des Fachkräftemangels in der Steuerberatung und präsentiert Lösungsansätze, wie Kanzleien erfolgreich Talente gewinnen und langfristig binden können.
Fachkräftemangel in der Steuerberatung: Status quo
Laut ifo-Institut ist der Dienstleistungssektor besonders hart vom Fachkräftemangel betroffen. Satte 75,3 Prozent der Unternehmen in der Rechts- und Steuerberatung sowie der Wirtschaftsprüfung finden nicht die Bewerber, die sie brauchen. Bestätigt werden diese historisch hohen Zahlen auch vom aktuellen KfW-Fachkräftebarometer, wenngleich ein leichter Rückgang durch die schwache Konjunktur beobachtet werden kann.
Top-5 Recruiting Herausforderungen in Steuerkanzleien
Quelle Zahlen: Haufe 2024
Grafik: WK Personalberatung
Während laut einer Haufe-Umfrage 79 Prozent aller Befragten einen steigenden Bedarf an qualifiziertem Personal bestätigen und 77 Prozent mehr einstellen möchten, gestaltet sich die Suche nach geeigneten Kandidaten immer schwieriger. Die Situation wird sich insbesondere für kleine Kanzleien weiter verschärfen, da sie im Vergleich zu größeren Unternehmen bereits jetzt einen deutlichen Rückgang an Bewerbungen verzeichnen (44 Prozent vs. 16 Prozent).
Die Ursachen für den Fachkräftemangel in der Steuerberatung
Zum bestehenden Fachkräftemangel in der Steuerberatung tragen mehrere Faktoren bei:
- Demografischer Wandel: Deutschlands Bevölkerung altert rasant. Mit dem Eintritt der Babyboomer in den Ruhestand in den nächsten 15 Jahren (ca. 12,9 Millionen Menschen) entsteht eine erhebliche Lücke auf dem Arbeitsmarkt, die durch den schrumpfenden Nachwuchs nicht geschlossen werden kann. Von dieser Entwicklung bleibt auch die Steuerberaterbranche nicht verschont.
- Attraktivere Vergütung in anderen Branchen: Die Steuerberatung ist nicht mehr alleiniger Arbeitgeber für Steuerfachleute. Die Konkurrenz um Talente erstreckt sich branchenübergreifend. Kanzleien müssen sich daher mit den attraktiven Arbeitsbedingungen von Großunternehmen messen, die nicht nur eine bessere Vergütung, sondern auch flexible Arbeitsmodelle, vielfältige Benefits und attraktive Karrierewege bieten.
- Image des Berufs: Die Steuerberatung kämpft immer noch mit ihrem veraltet-biederen Image, das junge Berufseinsteiger abschreckt. Insbesondere die Generation Z assoziiert die Steuerberatung eher mit bürokratischen Routinetätigkeiten und weniger mit einer zukunftsorientierten und dynamischen Arbeitswelt. Entsprechend stagnieren seit Jahren die Zahlen beim Steuerberaternachwuchs, wenngleich es laut Bundessteuerberaterkammer in 2023 zu einem einprozentigen Anstieg bei den Auszubildenden kam von (von 17.187 auf 17.355). In der bundesweiten Rangliste der Ausbildungsberufe des Bundesinstituts für Berufsbildung belegen Steuerfachangestellte auch heute noch nur den 21. Platz.
Das assoziiert der Nachwuchs mit Steuerberatung
Quelle Zahlen: Haufe 2023
Grafik: WK Personalberatung
- Hoher Fortbildungsaufwand: Hinzu kommt, dass die sich ständig wandelnden Gesetze und Steuerregelungen eine lebenslange Lernbereitschaft zur Grundvoraussetzung für Steuerberater und Steuerfachangestellte machen. Das kann potenzielle Berufseinsteiger abschrecken, da Weiterbildungen viel Zeit in Anspruch nehmen und die Work-Life-Balance belasten können. Zudem sind die Maßnahmen oft mit Kosten verbunden, die von den Steuerberatern selbst getragen werden müssen.
Die Folge des Personalmangels: Überlastung der aktuellen Fachkräfte und verpasste Chancen
Der Fachkräftemangel in der Steuerberatung hat bereits jetzt gravierende Folgen. Viele Kanzleien sehen sich gezwungen, potenzielle Neukunden abzulehnen, da die vorhandenen Mitarbeiterkapazitäten ausgeschöpft sind. Komplexe Beratungsleistungen stellen eine zusätzliche Belastung dar und führen in einigen Fällen zu einer Überlastung der Mitarbeiter.
Top-6 Folgen des Fachkräftemangels in der Steuerberatung
Quelle Zahlen: Haufe 2024
Grafik: WK Personalberatung
Langfristig gefährdet dieser Zustand nicht nur das Wachstum der Kanzleien, sondern auch die Qualität der Beratung und Zufriedenheit der Kunden. Wenn es richtig schlecht läuft, droht die Schließung der Kanzlei.
Lösungsansätze für den Fachkräftemangel in der Steuerberatung
Um dem Fachkräftemangel in der Steuerberatung entgegenzuwirken, bedarf es angesichts der beschriebenen Ursachen eines umfassenden Maßnahmenpakets in Steuerberatungskanzleien, das sowohl die Arbeitsbedingungen optimiert als auch neue Wege der Personalgewinnung beschreitet.
Digitalisierung kompensiert Fachkräftemangel in der Steuerberatung
Der Einsatz von IT-Lösungen – angefangen bei internen Abläufen, über die Kommunikation mit Mandanten bis hin zum Datenaustausch mit Steuerbehörden und Banken – bietet ein enormes Potenzial zur Produktivitätssteigerung in Steuerberatungskanzleien.
Digitalisierung steigert den Erfolg von Steuerkanzleien
Quelle Zahlen: Aalener Institut für Unternehmensführung
Grafik: WK Personalberatung
Durch die Automatisierung von Routinetätigkeiten können Mitarbeiter ihre Kapazitäten auf komplexere Beratungsleistungen konzentrieren, was sowohl die Kundenzufriedenheit als auch die Rentabilität der Kanzlei steigert
Konkurrenzfähige Arbeitsbedingungen locken Fachkräfte in die Steuerberatung
Ein erfreulicher Nebeneffekt der Digitalisierung ist die mögliche Flexibilisierung der Arbeitsplätze. Homeoffice-Modelle ermöglichen es Steuerkanzleien, Mitarbeiter aus ganz Deutschland zu rekrutieren und so den Fachkräftemangel zu bekämpfen. Gleichzeitig profitieren Mitarbeiter von einer besseren Work-Life-Balance und können sich ihren individuellen Bedürfnissen entsprechend organisieren. Das verbessert die Arbeitgeberattraktivität. Das bestätigen auch Umfragen unter den HR-Verantwortlichen in Steuerkanzleien.
Was Steuerkanzleien für Bewerber attraktiv macht
Quelle Zahlen: Haufe 2024
Grafik: WK Personalberatung
Die Zeiten der traditionellen 9-to-5-Arbeitszeiten sind vorbei. Um jüngere Generationen anzusprechen, müssen auch Steuerkanzleien flexible Arbeitszeitmodelle und Remote-Arbeit ermöglichen.
Klare Karrierewege machen die Steuerberatung attraktiv
Daneben erwartet die jüngere Generation von ihrem Arbeitgeber attraktive Karrierechancen. Hierzu gehören klare Karrierepfade, gute Weiterbildungsmöglichkeiten und die Perspektive einer Partnerschaft. So gehören „gute Jobaussichten“ (neben „hohen Verdienstchancen“) zu den Hygienefaktoren, die erfüllt werden müssen, um bei der Berufswahl überhaupt berücksichtigt zu werden.
Bedürfnispyramide der Gen Z: Darauf kommt‘s an
Grafik: WK Personalberatung nach Haufe 2023
Hier schneidet die Steuerberatungsbranche – wie auch bei nahezu allen anderen Merkmalen– weit unter dem Durchschnitt ähnlicher Berufsfelder ab.
Fluktuationsrate durch wertschätzende Unternehmenskultur senken
Obwohl die Bedeutung von regelmäßigem konstruktivem Feedback für die Mitarbeiterentwicklung unbestritten ist, wird dies in den meisten deutschen Unternehmen nur unzureichend gelebt. Führungskräfte verpassen damit eine wichtige Chance, ihre Mitarbeiter zu fördern und die Leistungsfähigkeit ihrer Teams zu steigern.
Dabei können Feedbackkultur und eine gute Kommunikation die Fluktuationsrate, die auch in steuerberatenden Berufen hoch ist, in Unternehmen um bis zu 25 Prozent senken.
Fazit
Der akute Fachkräftemangel in der Steuerberatung stellt Kanzleien vor große Herausforderungen und zwingt diese zum Handeln. Durch die Schaffung eines modernen Arbeitsumfelds mit flexiblen Arbeitszeiten, digitalen Tools und attraktiven Karriereperspektiven können Kanzleien die Attraktivität des Berufs steigern und so den Personalmangel reduzieren.